Die Utting am Ammersee
Der Ausflugsdampfer MS Utting wurde 1950 gebaut und war seither Teil der bayerischen Seenflotte. In den ganzen Jahren beförderte sie Unmengen an Passagieren über den Ammersee. An Bord wurden Feste gefeiert, die ein oder andere Band spielte an Deck und natürlich tat sie eines ganz wunderbar: ihren Gästen einen schönen Ausflug auf See bescheren. Nach mehr als 65 Jahren ging das historische Traditionsschiff Ende 2016 in den Ruhestand und sollte ursprünglich Anfang 2017 verschrottet werden.
Der Wannda e.V. bekam davon Wind und wollte das Schiff unbedingt vor der Verschrottung retten. So entstand recht schnell die Idee, das Schiff in der Stadt an Land zu bringen und zu einem Kunst- und Kulturprojekt weiterzuentwickeln.
Der Transport nach Sendling
Es gab im Vorfeld viele Hürden, die mittlerweile überstanden sind. Mit die größte Hürde stellte wohl die Suche nach einem Standplatz dar. In einer Millionenstadt, in der Freiflächen mehr als rar sind, war dies kein leichtes Unterfangen. Nach langer Suche war dann der richtige Hafen für das alte Schiff gefunden: Eine stillgelegte Eisenbahnbrücke mitten in Sendling!
Nun stand das Team vor der nächsten Schwierigkeit: der Transport des Ausflugsdampfers vom 50 km entfernten Ammersee zu ihrem neuen Stellplatz auf dem Münchner Großmarktgelände. Da das Schiff zu groß für einen Transport war, musste es in zwei Teile zerteilt werden. Die Bayerische Seenschifffahrt stufte diese Demontage für den Transport bis zum 21. Februar 2017 als „unschaffbar“ ein. Zudem mussten erst einmal eine Transportfirma und eine Kranfirma gefunden werden, die sich diesem waghalsigen Projekt annehmen. Aber auch dieses Problem ließ sich meistern und ab Dezember 2016 demontierte, bei Minusgraden und oftmals starkem Wellengang, ein Zusammenschluss junger Münchner den schwimmenden Ausflugsdampfer, um ihn für den Transport vorzubereiten.
Zeitgleich saßen zwei Ingenieurbüros an den statischen Beweisen, dass der 144 Tonnen schwere Dampfer auch von der Eisenbahnbrücke getragen wird. Ein Architektenbüro bemüht sich indes um alle nötigen Bauanträge, ohne deren Bewilligung der ganze Transport keinen Sinn gemacht hätte.
Aber zurück zum praktischen Teil: Bereits zum Auswassern des Schiffs mussten sechs Taucher am Rumpf des Schiffs Hebebänder anbringen. Für den Transport mussten Autobahnen gesperrt, Ampelanlagen und Straßenbeleuchtungen ausgegraben werden. Die Lagerhausstraße selbst wurde mehrere Tage gesperrt und sogar Buslinien mussten verlegt werden. Aber auch die Brücke selbst wurde auf den neuen Gast vorbereitet. Ein massives Holzfundament, auf dem das Schiff nun ruht, musste gesetzt und das Geländer gesichert werden. Am 22. Februar 2017 war es dann soweit: der Ausflugsdampfer wurde von drei großen Autokränen sicher und ohne Zwischenfälle auf die Brücke gehoben.
Aus -und Umbau
Laut Plan sollte die Alte Utting im Sommer 2017 ihre Pforten öffnen. Allerdings gab es an Bord und um die Brücke herum noch so viel zu tun, dass dieses optimistische Ziel selbst von einem 15-köpfigen, schwer arbeitenden Team, nicht zu schaffen war. Allein das Zusammenbauen der zwei Teile dauerte gute zwei Wochen.
Hinzu kamen viele Arbeiten an Bord: neue Leitungen wurden gelegt, eine Dämmung angebracht, die Decke neu eingezogen, das Holzdeck verlegt, Treppen und eine Heizung eingebaut. Dadurch veränderten sich die Räume, die Holzvertäfelung passte nicht mehr und musste neu eingesetzt werden. Die Theken und die Küche wurden umgebaut und selbstverständlich haben auch die Sanitäranlagen eine Renovierung erfahren.
Aber auch im Außenbereich tat sich noch einiges: Zwei Zugänge auf die Brücke wurden angelegt, die Treppen aufgebaut und von Hand montiert, Holzpfähle für die Außenbeleuchtung aufgestellt, ein Podest aufgebaut, die Piratenbucht ausgelichtet und mit etlichen Sitzgelegenheiten eingerichtet. Zudem wurden einige Küchen-, Lager- und Bürocontainer aufgestellt.
Neben all diesen handwerklichen Arbeiten kamen dann noch besonderen Auflagen hinzu, denen das Team nachkommen musste. So gilt ein Schiff auf einer Eisenbahnbrücke zum Beispiel nicht als Schiff, sondern als ein feststehendes, öffentliches Gebäude und bedarf statt einer zweifachen Sicherung, wie es auf Wasser verlangt wird, einer fünffachen. Hinzu kam die Absicherung durch den Brandschutz und sogar eine Videoüberwachung – für den Fall der Fälle.
Nach den vielfachen Renovierungsarbeiten innerhalb und außerhalb des Schiffs und der Errichtung eines gemütlichen Gastgartens rundherum, war der große Tag endlich gekommen: Die Schiffstaufe!
Die Taufe
Am 12.07.2018, also gut eineinhalb Jahre nach dem Transport, tauften Betreiber Daniel Hahn und Stadträtin Julia Schönfeld-Knor die MS Utting auf den Namen “Alte Utting”. Und obwohl die Prosecco-Flasche erst beim zweiten Schwung zersprang, waren alle Beteiligten bester Laune und schauten gemeinsam in eine strahlende Zukunft! Der stellvertretende Leiter der Lokalbaukommission überreichte die Baugenehmigung und ein vorläufiges Straßenschild mit dem Namen „Alte Utting”. Die passende Musik kam vom Shantychor “Seelords”, die eigens für diesen Anlass ein Lied komponierten!
Zwei Wochen später, am 26. Juli 2018, öffnete die Utting dann ihre Pforten und bot dem interessierten Publikum einen Vorgeschmack auf das, was sie die nächsten drei Jahre auf dem Schiff erwartet: Live-Musik, gutes Essen, und eine außergewöhnliche Atmosphäre – urban und weltenbummlerisch zugleich!
An dieser Stelle möchten wir uns auch ganz herzlich bei allen Beteiligten, die dieses Projekt ermöglicht haben, bedanken! Dank der Unterstützung von unzähligen Menschen und einem großartigen Team kann die Alte Utting nun auf volle Fahrt voraus gehen!
Mehr Informationen zur Geschichte der MS Utting finden Sie im “Bordbuch” von Adelheid Schmidt-Thomé (Franz Schiermeier Verlag München, 2018)